Rebsorten, Boden, Klima und Terroir verstehen

Welche Eigenschaften bringt eine Rebsorte mit? In welchem Klima und auf welchem Boden gedeiht sie? Und wie formt der Mensch im Weinberg und Keller daraus einen bestimmten Weinstil? Wer diese Fragen beantworten kann, ist bereits auf dem besten Weg, den Weindschungel zu verstehen.

So komplex und unübersichtlich der Dschungel der Weinwelt auch erscheinen mag, am Ende lässt sich jeder Wein auf das Zusammenspiel von vier Faktoren herunterbrechen: Rebe, Boden, Klima, Mensch. Wer diese versteht, begreift, warum ein Wein schmeckt, wie er schmeckt.

Ob man Wein nun intensiv studiert oder ihn einfach als begeisterten Geniesser erlebt: Das Zusammenspiel dieser vier Faktoren vor Augen zu behalten, hilft enorm. So lassen sich Informationen besser einordnen, und mit der Zeit entsteht daraus ein grundlegendes Verständnis – eine Landkarte durch den Weindschungel.

 

 

Natürlich zählt das grundlegende Verständnis dieser Faktoren und ihrer Zusammenhänge auch zu den essentiellen Elementen einer WSET®-Ausbildung. Insbesondere in der Abschlussprüfung zum WSET® Level 3 in Wines wird gefordert, die Eigenschaften eines Weines anhand der Bedingungen im Weinberg und im Keller zu erläutern. Es lohnt sich also, schon heute einen Blick in dieses spannende Thema zu werfen.

Was in einer Weintraube steckt

Die Rebe ist Weltmeister der Zuckerproduktion. Unter optimalen Bedingungen kann eine Rebe bis zu 300 Gramm Zucker pro Kilogramm Früchte aufbauen. Zucker ist die Grundlage der Weinerzeugung: Er wird mittels Gärung zu Alkohol umgewandelt. Doch Trauben enthalten weit mehr: Aromen, Säuren und andere Inhaltsstoffe, die das Geschmacksbild eines Weins entscheidend prägen.

Diese Rebsorten werden am meisten angebaut

Weltweit werden rund 700 Rebsorten in nennenswertem Umfang angebaut. Manche Quellen sprechen sogar von über 5’000 – doch hier werden oft Synonyme, ausgestorbene Sorten oder irrelevante Züchtungen mitgezählt. Fakt ist: Knapp 90 Prozent des globalen Weinkonsums entfallen auf nur 20 Rebsorten. Die zehn meist angebauten Sorten im Jahr 2023 sind:

  1. Cabernet Sauvignon (Rot)
  2. Merlot (Rot)
  3. Airén (Weiss)
  4. Tempranillo (Rot)
  5. Chardonnay (Weiss)
  6. Syrah (Rot)
  7. Garnacha Tinta (Rot)
  8. Sauvignon Blanc (Weiss)
  9. Ugni Blanc – Trebbiano (Weiss)
  10. Pinot Noir (Rot)

Wie die Rebsorte einen Wein prägen kann

Welche Sorte ein Winzer kultiviert, hängt in erster Linie von den örtlichen Gegebenheiten ab. Man unterscheidet früh- und spätreifende Varianten – Ziel ist immer, den Trauben einen optimalen Reifeprozess am Standort zu ermöglichen. Gleichzeitig spielen aktuelle Trends und Marktverhältnisse eine Rolle. Nur wenige Winzer können es sich leisten, eine schwer verkäufliche Traubensorte anzubauen. Je höher eine Traubensorte im Trend liegt, desto mehr kann man damit verdienen. Da ein Rebberg nun aber eine langfristige Anlage darstellt – eine Neubepflanzung ist auf mindestens 20 Jahre ausgelegt – kann das Folgen von Trends durchaus stark risikobehaftet sein. 

Dem entgegen wirken in vielen europäischen Ländern regionale Vorschriften, in denen bei Verwendung geschützter Ursprungsbezeichnungen meist nur eine stark begrenzte Auswahl an Rebsorten zugelassen ist, um gebietstypische Weinstile zu erhalten.

Auch das Alter der Reben beeinflusst die Weinqualität erheblich. Ab dem vierten Jahr liefern sie wirtschaftlich nutzbare Mengen, ab dem zehnten volle Erträge. Rund ab dem 25. Jahr erreicht die Qualität ihren Höhepunkt: Die Wurzeln reichen nun tief in den Boden, erschliessen Mineralien und Gesteinsschichten und geben dem Wein mehr Komplexität. Reben können über 100 Jahre alt werden – auch wenn der Ertrag im Alter abnimmt, bleibt die Qualität aufgrund dieser natürlichen Ertragsreduktion.

Der Boden als Nährstoffquelle

Wie jede Pflanze geniesst es auch die Rebe, wenn sie an Ort und Stelle mit allem versorgt wird, was sie braucht. Als Überlebenskünstler kommt sie mit unterschiedlichen Bedingungen zurecht. Grundsätzlich gilt: Je mehr Nährstoffe im Boden, desto wuchskräftiger die Pflanze – doch im Weinbau ist pure Vitalität nicht immer der Schlüssel zu Qualität. Jede Rebsorte hat eigene Bedürfnisse und bevorzugt bestimmte Böden.

Mineralien, Nährstoffe und Wasserspeicherkapazität des Bodens spielen eine entscheidende Rolle: Manche Reben lieben fette, nährstoffreiche, kühle Böden, andere bevorzugen karge, warme Böden. Ebenso gibt es Reben, die feuchte Böden den trockenen vorziehen – und umgekehrt. Auch topografische Faktoren wirken mit: Die Nähe eines Gebirges kann einen Weinberg von Wind und Wetter abschirmen. Hanglagen verändern den Winkel, in dem Sonnenlicht auf die Rebe trifft, was durch erhöhte Exponierung wiederum das Wachstum beeinflusst. Gleichzeitig sind Hanglagen meist karger. Unter einer dünnen Lehmschicht trifft die Wurzel rasch auf nährstoffarmes, wasserdurchlässiges Gestein und ist gezwungen, besonders tief im Boden die Versorgung der Rebe zu gewährleisten. Karge Böden hemmen Wuchskraft und Ertrag der Rebe. Diese natürliche Ertragsreduktion führt aber zu konzentrierten Inhaltsstoffen.

Auch die Höhe über dem Meer ist wichtig: Je höher die Reben angebaut werden, desto tiefer ist die Durchschnittstemperatur, desto langsamer, aber oft nachhaltiger auch der Reifeprozess. Wenn alles zusammenkommt, vermag ein hochwertiger Wein sogar einen besonderen Boden in seinem Aromaspektrum zu reflektieren. In manchen, traditionellen Anbaugebieten – allen voran im französischen Burgund – wird aktiv darauf hingearbeitet, die Typizität einer Weinbergslage im Wein widerzuspiegeln.

Wie das Klima die Weinqualität beeinflusst

Auch das Klima prägt den Weinbau entscheidend. In kühlen Gebieten, wo das Wachstum spät einsetzt und die Temperaturen nach dem Sommer rasch wieder abfallen, spricht man von einer kurzen Vegetationsperiode. Um hier optimale Erträge einzufahren, sind frühreife Sorten gefragt. In warmen Gegenden mit langen Sommern liefern spätreife Sorten bessere Qualitäten.

Niederschlagsmengen sind neben den Temperaturen ein weiterer wichtiger Faktor. Häufiger Regen begünstigt Pilzkrankheiten und führt kurz vor der Ernte zu verstärkter Wassereinlagerung in den Früchten, was die Inhaltsstoffe verdünnt. Ausserdem steigt das Fäulnisrisiko – vor allem, wenn einzelne Beeren aufgrund der Wasserzunahme aufplatzen. Zwar brauchen Reben Wasser, doch dank ihrer tiefen Wurzeln überstehen sie auch trockene Perioden – junge Stöcke sind dabei allerdings auf Unterstützung angewiesen.

Ausgewachsene Reben sind winterhart. Kälte und Frost im Winter – der Vegetationspause – können sogar hilfreich sein, um Schädlinge abzutöten. Gefährlich ist hingegen Spätfrost im Frühjahr. Falls die Pflanze bereits austreibt, sterben die jungen, sehr empfindlichen Triebe ab und man muss mit grossen Ernteeinbussen rechnen. Genauso desaströs kann Hagel sein: Er kann Blätter und Früchte zerstören und macht die Trauben anfällig für Krankheiten und Insektenbefall, da die schützende, dicke Haut nicht mehr intakt ist.

Auch regionale Wetterphänomene beeinflussen den Weinbau: Der Mistral im französischen Rhônetal bringt kühle Luft, der Föhn in der Bündner Herrschaft hingegen bringt warme Luft. Beides sind im spezifischen Gebiet durchaus Vorteile, die den Reifeprozess der Trauben entscheidend beeinflussen. Bemerkenswert ist, dass viele der spannendsten Weine aus Regionen mit schwierigem Klima stammen. Langsame, nachhaltige Reifung fördert komplexe Aromen – und zwingt Winzer in kühleren Lagen zu besonders sorgfältiger Arbeit.

Das Zusammenspiel von Boden und Wetter an einem bestimmten Ort nennt man übrigens Terroir. Das Terroir zeigt die Summe der Bedingungen auf, unter denen eine Rebe gewachsen ist.

Der Mensch – Bindeglied im Weinbau

Der Mensch verknüpft mit seinen Entscheidungen Rebe, Boden und Klima. Er bestimmt, welche Sorte an welchem Standort angebaut wird und legt durch seine Arbeit im Weinberg die Grundlage für den Charakter und Qualität des späteren Weines.

Schon hier gibt es viele Stellschrauben: Hohe Qualität erfordert Handarbeit, viele individuelle Arbeitsschritte und geringe Erträge. Für die Erzeugung einfacher Weine wird er den Aufwand – meist mit intensiver Mechanisierung – so gering wie möglich halten und seinen Weinberg auf hohe Erträge auslegen.

Auch die Haltung des Winzers prägt den Wein. Will er makellos schöne Trauben, maximalen Ertrag und sicheren Schutz vor Krankheiten, so setzt er Dünger und Pestizide ein. Will er ein möglichst naturnahes Erzeugnis und nimmt gewisse Risiken in Kauf, so kann er auf manch chemisches Produkt verzichten und dieses durch biologische Alternativen ersetzen.

Eingriffe im Weinkeller

Grundsätzlich gilt: Qualität entsteht im Rebberg. Aus minderwertigen Trauben lässt sich kein hochwertiger Wein mehr keltern. In der heutigen Zeit ist es aber möglich, den Wein im Keller völlig neu zu designen. Stark getoastete Holzfässer mit ihren Röstaromen, Milchsäurebakterien zur Säurereduktion, Anreicherung des Traubenmostes mit Zucker oder Weinsäure, sowie langes Lagern auf der Hefe sind nur wenige, gängige Verfahren, mit denen das Geschmacksbild eines Weines im Keller beeinflusst werden kann. Inzwischen ist es gar möglich – und vielerorts auch erlaubt – einen Wein mit physikalischen Prozessen wie Osmose oder umgekehrter Osmose nahezu uneingeschränkt nach den Wünschen des Kellermeisters zu gestalten.

Dem gegenüber stehen die sogenannten ‚Terroirweine‘, die sowohl eine Rebsorte mit all ihren Eigenschaften, als auch gebietstypische Einflüsse möglichst unverfälscht reflektieren sollen. Der Produzent versucht, das Terroir möglichst klar herauszuarbeiten, ohne dabei das Endergebnis durch kellertechnische Hilfsmittel zu stark zu prägen. Der Wein behält so einen weitgehend unverfälschten Charakter, allerdings auch Ecken und Kanten, die sich oft erst nach jahrelanger Flaschenreife integrieren. Zum falschen Zeitpunkt geöffnet, hat diese Kategorie schon manch unerfahrenem Geniesser die Lust verdorben.

Beide, Terroir- und Designerweine, haben viele Anhänger. Viele Konsumenten starten mit zugänglichen Designerweinen und entwickeln mit der Zeit eine Vorliebe für die komplexeren, oft fordernden Terroirweine.

Vom Weindschungel zur Landkarte

So komplex und unübersichtlich die Weinwelt auch manchmal erscheinen mag: Keine Panik! Wenn du dir bei einem Wein die Zeit nimmst, ihn auf die vier entscheidenden Faktoren herunter zu brechen, wird sich dir nicht nur ein zielführender Weg zum Entschlüsseln des Inhaltes deines Weinglases aufzeigen. Du wirst je länger je mehr auch erleben, wie klar ein Wein mit uns kommuniziert und wie viel er uns über seine Entstehungsgeschichte verrät.

Häufige Fragen

Wie beeinflusst das Alter der Reben die Qualität des Weins?

Die Rebe treibt mit zunehmendem Alter ihre Wurzeln immer tiefer in den Boden, durchdringt dabei mitunter verschiedene Gesteinsschichten und kann somit einen reichhaltigeren Fundus an Mineralien in den Früchten einlagern. Je nach Sorte und Handhabe können so komplexere Aromenbilder entstehen.
Alte Reben, man bezeichnet sie meist so ab ihrem 40. Lebensjahr, liefern geringere Erträge. Das ist nicht zuträglich, wenn der Weinbau auf Quantität ausgelegt ist. Bedeutet aber, dass die Rebe ihre Ressourcen auf weniger Trauben verteilt und diese dann umso extraktreichere Moste ergeben, was der Qualität zuträglich ist.

Was versteht man unter «Terroir» – und warum ist es so wichtig?

Terroir ist die Summe der Einflussfaktoren, die zur Entstehung eines Weines beitragen. In der Regel meint man damit Klima, Topografie und Geologie eines Weinbergs. Oft wird auch die Meinung vertreten, dass der Faktor Mensch zum Terroir gezählt werden sollte. Insgesamt haben diese Faktoren massgeblichen Einfluss auf das Ausreifen und auf die Qualität der Trauben.

Wie beeinflusst der Boden den Charakter eines Weins?

Der Boden hat einen regulierenden Einfluss auf die Wasser- und Nährstoffversorgung der Rebe. Fette Böden speichern viel Wasser und liefern viele Nährstoffe. Sie begünstigen damit das Wachstum der Rebe, und es sind hohe Erträge möglich. Karge Böden hingegen sorgen für eine natürliche Verknappung von Ressourcen. Die Rebe muss kämpfen, tiefere Wurzeln bilden und sie trägt weniger Früchte. Die geringeren Erträge auf kargen Böden sind jedoch oft deutlich potenter und können somit zu einer höheren Weinqualität beitragen.

Was passiert mit einem Wein bei der Osmose?

Durch Osmose können einem Wein unerwünschte Stoffe entzogen werden. Verbreiteter ist die Technik jedoch beim Traubenmost, wo durch Wasserentzug der Zuckergehalt erhöht und Mostkonzentrat gewononen wird. Auch bei der Alkoholreduktion wird das Verfahren angewendet. Einen Wein generell mithilfe der Osmose von unerwünschten Stoffen zu reinigen ist, zumindest in der EU nur in stark eingeschränktem Umfang gestattet und unterliegt strengen Kontrollen. In der Neuen Welt hingegen ist es nicht unüblich, das Geschmacksbild eines Weines mit diesem Hilfsmittel entscheidend zu prägen.

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