Was beeinflusst die Qualität von Wein?

Entscheidend für die Weinqualität ist das mosaikartige Zusammenspiel von Rebe, Boden, Klima und Mensch.

Es gibt hunderte von Rebsorten, dutzende von Weinbauländern mit verschiedenen Klimatypen und unzähligen Bodenarten. Jeder dieser Faktoren beeinflusst den Wein entscheidend. Weltweit existieren tausende von Weingütern und jedes ist ein eigener Mikrokosmos. Weinbereitung ist ein sehr komplexer Vorgang und jeder Winzer beschreitet seinen individuellen Weg. Kein Wein wird jemals genau gleich schmecken wie ein anderer Wein. Die Variationsmöglichkeiten sind schier unendlich und machen die Weinwelt zu einem wahren Dschungel.

Rebe X Boden X Klima X Mensch = Wein

So komplex und unübersichtlich der Dschungel der Weinwelt auch erscheinen mag, am Ende lässt sich jeder Wein auf das Zusammenspiel von Rebe, Boden, Klima und Mensch herunterbrechen: Welche Eigenschaften hat eine bestimmte Rebsorte? Wo und unter welchen klimatischen Bedingungen ist die Rebe gewachsen? Welche Möglichkeiten hat der Mensch in Weinbau und Keller, um einen bestimmten Weinstil zu erzeugen?

Ob man nun das Thema Wein aktiv studiert, oder einfach als begeisterter Geniesser Informationen aufnimmt: Sich stets das Zusammenspiel dieser vier Faktoren vor Augen zu halten hilft nicht nur dabei, gesammeltes Wissen geordnet im Kopf abzulegen – früher oder später wird auf dieser Basis auch ein grundlegendes Verständnis der Materie, eine Landkarte durch den Weindschungel entstehen.

Das verraten Farbe und Aroma über einen Wein

Alle Einflussfaktoren hinterlassen ihre Spuren im Wein. Die aufmerksame Verkostung lässt Rückschlüsse auf den Werdegang vom Rebstock bis in die Flasche zu: Ist die Farbe undurchsichtig tief, handelt es sich wohl um eine dickschalige Traubensorte. Breitet sich in der Nase ein intensives Cassis-Aroma aus, handelt es sich wohl um die Sorte Cabernet Sauvignon. Der Wein zeigt auch Vanille und Kokosnoten? Vermutlich handelt es sich dann um einen Ausbau in amerikanischer Eiche. Ein hoher Säure- und Tanningehalt ist typisch für Cabernet Sauvignon aus gemässigt warmen Regionen.

FAQ

Wie entscheidend ist die Rebsorte für die Weinqualität?

Die Rebe ist Weltmeister der Zuckerproduktion. Bei optimalen Bedingungen kann eine Rebe bis zu 300 Gramm Zucker pro Kilogramm Früchte aufbauen. Zucker ist die Grundlage der Weinerzeugung: Er wird mittels Gärung zu Alkohol umgewandelt. Darüber hinaus stecken Weintrauben voller weiterer Inhaltsstoffe wie zum Beispiel Aromen und Säuren, welche das Geschmacksbild des späteren Weines entscheidend prägen.

Die Wahl der Sorte, welche ein Winzer kultiviert, ergibt sich primär aus den örtlichen Gegebenheiten. Man unterscheidet früh- und spätreife Varianten und am jeweiligen Standort soll den Trauben ein idealer Reifeprozess ermöglicht werden.

Gleichzeitig spielen auch aktuelle Trends und Marktverhältnisse eine Rolle. Nur wenige Winzer können es sich leisten, eine Traubensorte anzubauen, die sich schwer verkaufen lässt. Je höher eine Traubensorte im Trend liegt, desto mehr kann man damit verdienen. Da ein Rebberg nun aber eine langfristige Anlage darstellt – eine Neubepflanzung ist auf mindestens 20 Jahre ausgelegt – kann das Verfolgen von Trends durchaus stark risikobehaftet sein. Dem entgegen wirken in vielen europäischen Ländern regionale Vorschriften und geschützte Ursprungsbezeichnungen, um gebietstypische Weinstile zu erhalten.

Weiter hat auch das Alter der Rebe einen wesentlichen Einfluss auf die Qualität des Weines: Grundsätzlich rechnet man ab dem 4. Jahr mit einem Ertrag, den man wirtschaftlich nutzen kann. Ab dem 10. Jahr ist mit vollen Erträgen zu rechnen. Ab dem 25. Jahr darf man von optimaler Qualität ausgehen. Dies liegt daran, dass die Rebe mit dem Alter ihre Wurzeln immer tiefer in den Boden treibt, wo sie auf immer wieder veränderte Bedingungen und verschiedene Gesteinsschichten trifft. Je grösser der Fundus an verschiedenen Mineralien und Nährstoffen, desto komplexere Ausprägungen kann ein Wein am Ende zeigen.

Wie entscheidend ist der Boden für die Weinqualität?

Wie jede Pflanze geniesst es auch die Rebe, wenn sie an Ort und Stelle mit allem versorgt wird, was sie braucht. Die Zusammensetzung des Bodens ist daher enorm wichtig für die Rebe. Jede Sorte hat ihren Lieblingsboden, auf dem sie optimal gedeiht; aber auch Böden, auf denen sie kaum wächst und sich nicht wohl fühlt. Dies hängt mit den Mineralien und Nährstoffen zusammen, die nur in gewissen Böden vorkommen, aber auch mit der Kapazität der Wasserspeicherung eines bestimmten Bodens. Manche Reben lieben fette, nährstoffreiche, kühle Böden, andere bevorzugen karge, warme Böden.

Auch andere topografische und geologische Faktoren können beeinflussen, wo eine bestimmte Rebe angepflanzt wird. So kann zum Beispiel die Nähe eines Gebirges die Weinbergslagen von Wind und Wetter abschirmen. Hanglagen verändern den Winkel, in dem das Licht der Sonne auf die Rebe trifft, was durch erhöhte Exponierung wiederum das Wachstum beeinflusst. Gleichzeitig sind Hanglagen meist karger. Unter einer dünnen Lehmschicht trifft die Wurzel rasch auf nährstoffarmes, wasserdurchlässiges Gestein und ist gezwungen, besonders tief im Boden die Versorgung der Rebe zu gewährleisten. Generell hemmen karge Böden Wuchskraft und Ertrag der Rebe. Da die Pflanze in Folge allerdings weniger Früchte zu versorgen hat, führt diese natürliche Ertragsreduktion zu konzentrierteren Inhaltsstoffen. Aber auch die Höhe über Meer ist sehr wichtig: je höher die Reben angebaut werden, desto tiefer ist die Durchschnittstemperatur, desto langsamer aber oft nachhaltiger auch der Reifeprozess.

Wenn alles zusammenkommt, vermag ein hochwertiger Wein sogar einen besonderen Boden in seinem Aromaspektrum zu reflektieren. In manchen, traditionellen Anbaugebieten – allen voran im französischen Burgund – wird aktiv darauf hingearbeitet, die Typizität eines Weinbergbodens im Wein zu widerspiegeln.

Wie entscheidend ist das Klima für die Weinqualität?

Auch das Wetter, welches in einer Anbaugegend vorherrscht, liefert einen entscheidenden Beitrag zum Gedeihen der Rebe. In kühleren Gebieten, wo das Wachstum spät einsetzt und die Temperaturen nach dem Sommer rasch wieder abfallen, spricht man von einer kurzen Vegetationsperiode. Frühreife Sorten sind gefragt, um hier optimale Erträge einzufahren. In wärmeren Regionen mit langer Vegetationsperiode würden diese Sorten viel zu schnell ausreifen und wären damit ungeeignet für hohe Qualitäten – hier sind spätreife Sorten zu Hause.

Niederschlagsmengen sind neben den Temperaturen ein weiterer, wichtiger Faktor. Häufiger Regen begünstigt Pilzkrankheiten an den empfindlichen Rebblättern. Kurz vor der Ernte führen Niederschläge zu verstärkter Wassereinlagerung in den Früchten, was die Inhaltsstoffe verdünnt. Ausserdem steigt das Fäulnisrisiko – vor allem, wenn einzelne Beeren aufgrund der Wasserzunahme aufplatzen. Zwar benötigt die Rebe wie jede Pflanze Wasser zum Überleben, jedoch können sich voll entwickelte Exemplare aufgrund ihrer tiefen Wurzeln auch in trockenen Regionen sehr gut halten und so auch begrenzte Niederschlagsmengen verkraften.
Ausgewachsene Reben sind sehr winterhart. Kälte und Frost im Winter – der Vegetationspause – können hilfreich sein, um Schädlinge abzutöten. Allerdings ist Frost im Frühling äusserst gefährlich. Falls die Pflanze bereits austreibt, sterben die jungen, sehr empfindlichen Triebe ab und man muss mit grossen Ernteeinbussen rechnen.

Genauso desaströs kann Hagel sein. Er zerschlägt Blätter, was zu verzögertem Wachstum und erhöhtem Krankheitsrisiko führt. Sind die Trauben schon im reifen Stadium, so kann er auch Beeren zerschlagen. Verwundete Trauben sind sehr anfällig gegen Krankheiten und Insektenbefall, da die schützende, dicke Haut nicht mehr intakt ist.

Darüber hinaus gibt es auch regionale Wetterphänomene, die den Weinbau beeinflussen, z.B. starke Winde. Der Mistral im französischen Rhônetal bringt kühle Luft, der Föhn in der Bündner Herrschaft hingegen warme Luft. Beide sind im spezifischen Gebiet durchaus Vorteile, die den Reifeprozess der Trauben entscheidend prägen.

Das Zusammenspiel von Boden und Wetter an einem bestimmten Ort nennt man übrigens Terroir. Das Terroir zeigt die Summe der Bedingungen auf, unter denen eine Rebe gewachsen ist.

Wie beeinflusst der Winzer die Weinqualität?

Der Mensch verknüpft mit seinen Entscheidungen Rebe, Boden und Klima. Er bestimmt, welche Sorte an welchem Standort angebaut wird und legt durch seine Arbeit im Weinberg die Grundlage für Charakter und Qualität des späteren Weines. Schon alleine hier hat er unzählige Möglichkeiten, sein Vorhaben umzusetzen. Will er hohe Qualität erzeugen, wird er auf Handarbeit, viele individuelle Arbeitsschritte und geringe Erträge setzen. Für die Erzeugung einfacher Weine wird er den Aufwand – meist mit intensiver Mechanisierung – so gering wie möglich halten und seinen Weinberg auf hohe Erträge auslegen.

Weiter kommt die Philosophie des Produzenten dazu: Will er makellos schöne Trauben, maximalen Ertrag und sicheren Schutz vor Krankheiten, so setzt er Dünger und Pestizide ein.
Will er ein möglichst naturnahes Erzeugnis und nimmt gewisse Risiken in Kauf, so kann er auf manch chemisches Produkt verzichten und dieses durch biologische Alternativen ersetzen. Gewissen Schädlingen und Krankheiten kann man auch durch eine ganzheitliche Gestaltung der näheren Umgebung entgegentreten, z.B. durch das Züchten von Nützlingen oder das Aussäen von Pflanzen unter den Reben, welche den Nährstoffhaushalt im Boden regulieren.
Im Keller liegt es dann ganz alleine am Winzer, mit welchem Mass an Einflussnahme er seine Weine erzeugen möchte.

Grundsätzlich gilt: Qualität entsteht im Rebberg. Aus minderwertigen Trauben lässt sich kein hochwertiger Wein mehr keltern. Allerdings ist es in der heutigen Zeit möglich, den Wein im Keller völlig neu zu designen. Stark getoastete Holzfässer mit ihren Röstaromen, Milchsäurebakterien zur Säurereduktion, Anreicherung des Traubenmostes mit Zucker oder Weinsäure, sowie langes Lagern auf der Hefe sind nur wenige, gängige Verfahren, mit denen das Geschmacksbild eines Weines im Keller beeinflusst werden kann. Die individuelle Philosophie des Winzers ist also neben allen naturgegebenen Voraussetzungen ein entscheidender Faktor. Er entscheidet, ob er den sorten- bzw. gebietstypischen Charakter erhalten oder ein ‘durchgestyltes Produkt’ erzeugen will.
Mit hohem technischem Einsatz im Keller lässt sich das Endresultat auf aktuelle Trends und Konsumentenbedürfnisse abstimmen (moderne Design-Weine). Aktuell sind dies hierzulande Weine mit vollem Körper und intensiven Aromen, die sich gleichzeitig weich, säurearm und zugänglich präsentieren, sowie keine lange Lagerzeit benötigen, um Trinkreife zu erreichen. Mag dies zwar unmittelbaren Bedürfnissen entsprechen, so erodieren dadurch doch zunehmend Weinmerkmale wie individueller Sortencharakter und Gebietsidentität.

Dem gegenüber stehen die sogenannten ‚Terroirweine‘, welche sowohl eine Rebsorte mit all ihren Eigenschaften als auch gebietstypische Einflüsse möglichst unverfälscht reflektieren sollen. Der Produzent versucht, das Terroir möglichst klar heraus zu arbeiten, ohne dabei das Endergebnis durch kellertechnische Hilfsmittel zu stark zu prägen. Der Wein behält dadurch einen weitgehend unverfälschten Charakter, allerdings auch Ecken und Kanten, die sich oft erst nach jahrelanger Flaschenreife integrieren. Zum falschen Zeitpunkt geöffnet, hat diese Kategorie schon manch unerfahrenem Geniesser die Lust verdorben.

Beide, Terroir- und Design-Weine, haben viele Anhänger. Zu sagen, der eine Stil sei dem anderen überlegen ist daher sicher falsch. Generell beobachtet man oft, dass sich Weintrinker in jüngeren Jahren zunächst für schmeichelnde Design-Weine begeistern, dann aber nach und nach ihre Vorliebe zu den komplexeren Terroirweinen entdecken.

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