Wieso ist Schweizer Wein so teuer?

Im internationalen Vergleich kostet die Produktion von Gütern in der Schweiz mehr. Das macht sich auch im Preis von Wein bemerkbar. «Schweizer Wein ist im Vergleich zu teuer» – so das Vorurteil. Doch die Realität zeichnet ein komplexeres Bild.

Eine Produktion in der Schweiz ist auch mit höheren Kosten verbunden. Das wirkt sich auch auf den Preis aus. Im internationalen Vergleich kostet Schweizer Wein darum mehr. Doch bedeutet das auch, dass Wein aus der Schweiz zu teuer ist?

Was bedeutet eigentlich «zu teuer»?

Wer Schweizer Weine als zu teuer bezeichnet, sollte definieren, anhand welcher internationaler Weine dieser Vergleich angestellt wird. Setzt man den Hebel ganz unten bei den einfachsten Weinen an, wird es für die Schweiz in der Tat eng mit der Konkurrenzfähigkeit.

Was tiefe Weinpreise für die Produzenten bedeuten

Werfen wir einen Blick auf den Klassenprimus europäischer Billigweine: Spanien. Das Land ist in Sachen Wein stark exportabhängig und damit im Weinbau fremdgesteuert. 2023 entfielen 57 Prozent der spanischen Weinexporte auf das Fassweinsegment. Also auf Weine, die vom Erzeuger nicht selbst abgefüllt, sondern tankweise an Grosskellereien im In- und Ausland verkauft werden. Dies entsprach im Jahr 2023 einer Weinmenge von 12,2 Millionen Hektolitern – oder zur besseren Einordnung: Etwa der zwölffachen Produktionsmenge der gesamten Schweiz.

Die Erzeuger generierten hiermit einen Verkaufswert von netto 511 Millionen Euro, was einem durchschnittlichen Literpreis von 0.42 Euro entspricht. Falls Du Dich also jemals gewundert hast, wie mit einer Flasche spanischen Tempranillos für CHF 2.95 im Schweizer Detailhandel noch Geld verdient werden kann, weisst Du nun Bescheid.

Selbstverständlich ist dies für betroffene spanische Weinbauern kein nachhaltiges Geschäftsmodell. Hinter solchen Preisen stecken Subventionen und die raubbauartige Bewirtschaftung riesiger Rebflächen. Fällt der Fassweinpreis um wenige Cent, sind Existenzen bedroht.

Darum kosten Schweizer Weine mehr

Anlage und Bewirtschaftung eines Weinbergs, Lohnkosten und Instandhaltung von Equipment sind einige wesentliche Punkte, die in der Schweiz einen deutlich höheren Kostensockel im Weinbau verursachen als in anderen Ländern. Je einfacher die Weinqualität, je günstiger der hierzulande erzeugte Wein, umso mehr macht sich dieser Sockel im internationalen Vergleich bemerkbar.

Schweizer Weinpreise im internationalen Vergleich

Ist Schweizer Wein im Vergleich hierzu deutlich teurer? Absolut! Wäre es erstrebenswert, in diesem Preissegment konkurrenzfähig zu sein? Absolut nicht! Gut 70 Prozent des global erzeugten Volumens entfällt auf einfache Massenweine. Dieses Segment hat zwar enorme Marktbedeutung, ist aber hart umkämpft und von sehr geringen Gewinnspannen geprägt, die sich nur über enorme Produktionsmengen rechnen. Sinkt der Weinkonsum geringfügig ab, ist die Krise vorprogrammiert. Man darf sich aus Schweizer Sicht also glücklich schätzen, dass man aufgrund der hiesigen Kostenstruktur in diesem Spiel von vornherein nicht mithalten kann. Wie schlagen sich Schweizer Weine im internationalen Vergleich?

Schweizer Basisweine – preislich unter Druck

Wer über grosse, leicht zu bewirtschaftende Flächen, einen intensiven Mechanisierungsgrad und sehr hohe Erträge verfügt, kann auch in der Schweiz durchaus Weine zu erzeugen, die der Endverbraucher für weniger als 10 Franken pro Flasche kaufen kann. Dieses Weinsegment ist beispielsweise im Wallis anzutreffen. Weitläufige, flache Lagen am Talboden, die Infrastruktur der Grosskellereien, sowie eine ertragsstarke, massentaugliche Sorte namens Chasselas bieten hier die ideale Grundlage für Basisqualitäten.

Dabei entstehen eher neutrale Weine, die preisliche Berührungspunkte mit der gehobeneren Ausführung internationaler Massenweine haben. Ein chilenischer Sauvignon Blanc für acht Franken pro Flasche kann mitunter schon ausgeprägte, exotische Aromen zeigen und wird bei modernen Weinkonsumenten wohl eher Gefallen finden als ein neutraler Chasselas aus dem Wallis. So sind generell günstigste Schweizer Weine schwer gegen die internationale Konkurrenz zu verteidigen und für das Urteil «zu teuer» lassen sich in dieser Preisklasse definitiv Argumente finden.

Schweizer Weine in gehobener Qualität – Anspruch und Realität

Um besseren Wein zu erzeugen, ist mehr Aufwand nötig. Eine bessere Weinbergslage kann zum Beispiel aufgrund einer steileren Hangneigung Mehrarbeit verursachen, bietet aber geeignetere Voraussetzungen zur Ausreifung der Trauben. Ertragsreduktion ist eine weitere Stellschraube in diesem Bereich, also das bewusste Verzichten auf Menge zugunsten besserer Traubenqualität. Auch im Keller muss in Qualität investiert werden, zum Beispiel durch das Anschaffen teurer Holzfässer. Diesen Mehraufwand betreiben alle Winzer weltweit, die Weine mit markanten, wiedererkennbaren Eigenschaften erzeugen wollen. In gewissen Punkten sind auch in diesem Bereich die Kosten in der Schweiz etwas höher. Im Vergleich zum grundlegenden Aufwand zur Bewirtschaftung eines Weinbergs hat die Kostenkurve im internationalen Vergleich nun aber einen deutlich flacheren Anstieg. Das resultierende Preissegment von 15 bis 30 Franken ist hinsichtlich der heutigen Überschrift heiss umstritten. Auch weil sich Weinliebhaber:innen ab dieser Preisklasse meist intensiver mit der Materie Wein befassen und vermehrt bewusste Vergleiche in Sachen Preis-Leistung anstellen.

Schweizer Weine liefern in diesem Segment solide Qualität ab und zwar konstant über praktisch alle Regionen hinweg. Legt man es jedoch darauf an, wird man im Eins-zu-eins-Vergleich bei Weinen mit gleichen Voraussetzungen in den meisten Fällen eine günstigere, internationale Alternative finden können. Und vermutlich sind es genau diese Vergleiche in diesem viel gekauften Preissegment, die das Vorurteil «Schweizer Weine sind zu teuer» prägen.

Einzigartige Rebsorten als Schweizer Trumpf

Ganz so leicht sollte man sich jedoch nicht geschlagen geben, denn der Schweizer Weinbau hat hier noch das ein oder andere Ass im Ärmel: Viele der hierzulande angebauten Sorten sind international kaum bis gar nicht zu finden. So spielt Chasselas beispielsweise in anderen Ländern kaum eine Rolle. In der Schweiz ist es aber die meistangebaute Weissweintraube und damit völlig konkurrenzlos. Auch Riesling-Sylvaner, die zweitmeist angebaute weisse Sorte, kann sich hier durchaus verteidigen. Zwar findet man sie zuhauf im Nachbarland Deutschland unter dem Namen Müller-Thurgau, jedoch hat sie dort vielerorts ein Qualitätsproblem und landet meist als einfacher Massenwein in der Flasche. Nirgends auf der Welt zeigt die Sorte eine so hohe Qualitätsdichte wie in der Schweiz. Die Spezialitätenliste liesse sich noch weiter fortsetzen, aber es wird schon jetzt deutlich, dass Schweizer Weine auch im mittleren Preissegment glänzen können.

Spitzenweine: Wenn Herkunft zweitrangig wird

Für Weine der besonderen Güte werden die Schrauben in Sachen Mehraufwand ein weiteres Stück angezogen: Noch bessere Lagen, noch strengere Selektionen, noch grössere Investitionen im Keller. Kompromisslose Qualitätsarbeit ist in jedem Anbauland mit hohen Kosten verbunden. Die bei günstigeren Weinen klar wahrnehmbare Schwelle zwischen der Schweiz und dem Rest der Welt greift hier schwerer. Auch weil in diesem Segment nicht-kalkulierbare Faktoren wie Philosophie, fachliche Kompetenz, Talent und Tradition eine grosse Rolle spielen. Hinzu kommt, dass solche Spitzenweine auch eine grosse internationale Bühne haben, dadurch weltweit gesucht sind. Auf Basis von Popularität können enorme Preisanstiege entstehen, die oftmals nicht mehr zur Gänze durch den gehobenen Produktionsaufwand gerechtfertigt sind. Schweizer Weine hingegen werden praktisch ausschliesslich hierzulande konsumiert und verlieren nur in seltenen Fällen den preislichen Boden unter den Füssen.

Man kann den Standpunkt verteidigen, dass irgendwo zwischen 30 bis 40 Franken pro Flasche die Grenzen verwischen und sich Schweizer Weine im internationalen Vergleich uneingeschränkt behaupten können. Insbesondere ist dies bei der meistangebauten Rebsorte der Schweiz, dem Pinot Noir, festzustellen. 

Darum sind Pinot Noir oft teurer

Die Sorte geniesst international grosse Beliebtheit, kann jedoch nicht überall angebaut werden und stellt den Winzer vielmals vor grössere Herausforderungen als andere Sorten. Können und Erfahrung sind gefragt, um hervorragende Pinots zu erzeugen. Spitzenweine werden daher schnell zu enorm hohen Preisen gehandelt. Auch hierzulande sind hochwertige Exemplare keine günstigen Weine. Aber wenn Sie einen Schweizer Pinot Noir für 40 Franken gekauft haben, von dessen Qualität Sie überzeugt sind, lässt sich mit dieser Flasche in der Regel mühelos das internationale Establishment herausfordern. Auch bei anderen internationalen Sorten wie Merlot und Chardonnay sind ähnliche Vergleiche ohne Weiteres möglich.

Häufige Fragen zu Schweizer Weinen

Weshalb wird so viel Wein in die Schweiz importiert?

Während kritische Aussenstehende hier schnell mit der Antwort: «Weil in der Schweiz kein guter Wein gemacht wird», zur Stelle sind, ist in der Realität genau das Gegenteil der Fall. Schweizer Weine werden zu beinahe 100 Prozent in der Schweiz konsumiert – was auch für die Qualität spricht. Allerdings deckt Schweizer Wein unseren Weinbedarf nur zu einem guten Drittel ab, weshalb der hiesige Weinmarkt zu grossen Teilen mit internationalen Weinen aufgestockt wird.

Warum spielt Schweizer Wein im internationalen Markt keine Rolle?

Allen kritischen Rufen zum Trotz hat diese Tatsache nichts mit mangelnder Qualität Schweizer Weine zu tun. Es wird schlichtweg praktisch die gesamte inländische Weinproduktion auch innerhalb der Schweiz konsumiert, so dass keine nennenswerten Mengen in den Export gelangen könnten.

Warum ist Schweizer Wein teuer?

Man kann Schweizer Wein nicht pauschal als zu teuer bezeichnen, sondern muss dieses Thema in Perspektive setzen. Billige Massenweine wie in den grossen EU-Anbauländern zu erzeugen, ist in der Schweiz aufgrund höherer Kosten nicht umsetzbar. Auch am unteren Ende des Preisniveaus für Schweizer Weine ist es schwierig, sich in Sachen Preis-Leistung international zu behaupten. Ab dem gehobenen Mittelsegment und vor allem im Premiumbereich jenseits von 30 Franken pro Flasche, sind Schweizer Weine jedoch unbestreitbar auch im internationalen Vergleich in Sachen Qualität und Preis konkurrenzfähig.

Ist Schweizer Wein von schlechterer Qualität als internationale Weine?

Nein. Generell ist das Qualitätsniveau im internationalen Vergleich sogar sehr hoch, denn ein echtes Massenweinsegment, wie es in den meisten anderen Weinbauländern quantitativ prägend ist, gibt es hierzulande nicht. Selbst Einstiegsweine sind in der Regel von guter Qualität und der Anteil von sehr guten bis hervorragenden Weinen ist im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern enorm hoch.

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